SIE HABEN ODER KENNEN JEMANDEN MIT EINEM AUSGEKUGELTEN SCHULTER?

Wir fassen auf dieser Seite alle wichtigsten Infos zusammen. 

1800 Worte | 15 Minuten Lesezeit

Lieber Kunde, Patient und/oder (Fach)Arzt,

Mit dieser Seite möchten wir dir einen Einblick in das Thema Schulterschmerzen verschaffen, die Problematik und unser entsprechendes Vorgehen schildern und unsere Behandlungsmethode erläutern. Hierfür beziehen wir uns ausschließlich auf wissenschaftliche Studien und unsere jahrelange Erfahrung in der Praxis. Wir möchten dir die Möglichkeit geben, dich bereits im Voraus besser über die Thematik zu informieren und offene Fragen oder mögliche Unsicherheiten klären zu können, um so zu verstehen, was eigentlich hinter dieser Thematik steckt.

Von allen Gelenken im menschlichen Körper, die auskugeln können, ist die Schulter bei weitem das häufigste. 1 In 50% aller Fälle wo Gelenke auskugeln, ist es die Schulter. Das ist aber nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Schulterpfanne eigentlich gar nicht so groß ist. Eine Schulterauskugelung wird in der Regel durch eine von drei Ursachen ausgelöst:

  • Trauma: Auskuglung nach Sturz oder nach Kontakt mit einer Zweitperson.
  • Non-Trauma: Auskugelung ohne Kontaktmoment. Dies ist normalerweise nur der Fall, wenn die Schulter zuvor schon einmal ausgekugelt wurde
  • Angeboren: Hypermobilität oder Laxizität (vermehrte Elastizität) der Schulterkapsel.

Auf dieser Seite klären wir die wichtigsten Fragen bzgl. einer Schulterauskugelung. Erfahre hier, warum die Schulter auskugeln kann, ob eine Operation notwendig ist oder nicht, wie die Schulterstabilität (selber) verbessert werden kann und vieles mehr.

ANATOMIE

Die Schulter ist geschickt zusammengesetzt. Es ist ein Komplex aus nicht weniger als 4 Gelenken, nämlich:

  1. Das Glenohumeralgelenk. Dies ist die Verbindung zwischen Oberarm und Schulterblatt. Kopf und Pfanne sind durch die Schulterkapsel, auch Rotatorenmanschette genannt, verbunden. Kleine Muskeln, die extrem wichtig sind, um den Schulterkopf in der Pfanne zu halten.
  2. Das AC-Gelenk. Dies ist die Verbindung zwischen dem Schulterdach (Acromion auf Latein) und Schlüsselbein (Clavicula auf Latein).
  3. Das SC-Gelenk. Dies ist die Verbindung zwischen dem Brustbein (Sternum auf Latein) und Schlüsselbein (Clavicula auf Latein).
  4. Das scapulathorakale Gelenk. Dies ist die Verbindung des Schulterblatts (Scapula) zum Brustkorb (Thorax). Das Schulterblatt ist durch Muskeln am oberen Rücken befestigt.
Schulteranatomie

Verglichen mit der tiefen knöchernen Hüftpfanne ist die Schulterpfanne eher als kleine Schale zu bezeichnen. Diese Schale wird durch das Labrum noch verstärkt. Das Labrum ist ein Knorpelring, der direkt an der Gelenkpfanne der Schulter ansetzt. Das Labrum ist wiederum mit den Muskeln der Rotatorenmanschette verbunden, die zusammen die Schulterkapsel bilden.  Diese Muskeln sind als eine dynamische Gelenkpfanne zu betrachten, die zur Stabilisierung des Schulterkopfes beiträgt, indem sie genau im richtigen Moment angespannt wird, wenn du deine Bewegungen ausführst.

Für die Anforderungen, die eine Schulter erfüllen muss, ist ihre Anatomie sehr sinnvoll. Die minimale Gelenkpfanne ermöglicht es uns, den Arm frei in allen Richtungen zu bewegen. Durch diese Bewegungsfreiheit wird die Stabilisierung der Schulter für den Körper jedoch schwieriger.

Schultergelenk

WIE ENTSTEHT DIE PROBLEMATIK?

Je nach Diagnose und Verletzungsart ist diese Frage natürlich einfacher oder schwieriger zu beantworten.

Eine Schulterauskuglung wird in der Regel durch folgende Faktoren ausgelöst:

  • Trauma: Auskuglung der Schulter nach Sturz oder nach Kontakt mit einer Zweitperson.
    Ein traumatisches Auskugeln der Schulter ist verantwortlich für über 75% der Auskuglungen. 2
  • Non-Trauma: Auskuglung ohne Kontaktmoment. Dies ist normalerweise nur der Fall, wenn die Schulter zuvor schon einmal ausgekugelt wurde.
  • Angeboren: Hypermobilität oder Laxität (Schlaffheit) der Schulterkapsel.

In ungefähr 75% der Fälle findet die Auskugelung nach vorne statt. Dies geschieht meistens, wenn die Auskugelung beim Sport oder bei einem Sturz entsteht. In 20% der Fälle findet die Auskugelung nach hinten statt, zum Beispiel bei einem Verkehrsunfall. Diese Diagnose wird häufig übersehen, da sie bei der körperlichen Untersuchung oft weniger auffällig ist als eine Auskugelung nach vorne. 3 In 5% der Fälle findet die Auskugelung in verschiedenen Richtungen statt (typischerweise bei einer Hypermobilität). 4

In einigen Fällen können bei einer traumatischen Schulterluxation mehrere Strukturen beschädigt werden. Zunächst einmal kann das Bindegewebe der Kapsel und/oder des Labrums gedehnt werden oder reißen. Zum anderen kann sich eine knöcherne „Bankart-Läsion“ entwickeln, bei der es durch den Aufprall zu einer Fraktur am unteren Ende der Schulterpfanne kommt. Dies geht häufig mit einer „Hill-Sachs-Läsion“ einher, einer Delle im Schulterkopf selbst. Eine Röntgenaufnahme der Schulter kann dies entweder zeigen oder ausschließen.

Links eine ist eine Auskuglung nach vorne auf dem Röntgenbild sichtbar. Rechts sieht man eine Hill-Sachs-Läsion (die Delle im Schulterkopf) und eine Bankart-Läsion (Fraktur am unteren Ende der Schulterpfanne).
Links eine ist eine Auskuglung nach vorne auf dem Röntgenbild sichtbar. Rechts sieht man eine Hill-Sachs-Läsion (die Delle im Schulterkopf) und eine Bankart-Läsion (Fraktur am unteren Ende der Schulterpfanne).

WELCHE SYMPTOME PASSEN ZU DER SYMPTOMATIK / WIE WIRD DIAGNOSTIZIERT?

Eine Schulterauskugelung ist in der Regel relativ einfach zu diagnostizieren da diese klar ersichtlich ist. Die Schulter muss in vielen Fällen wieder repositioniert werden. Danach liegt so gut wie immer ein instabiles Gefühl vor. Es besteht die Angst vor einer erneuten Auskugelung und in manchen Fällen kann der Patient dieses instabile Gefühl oder die Auskugelung mit einer bestimmten Bewegung demonstrieren. Bei traumatischen Entstehungsweisen kommen oft (starke) Schmerzen und Bewegungseinschränkungen dazu. Bei nicht-traumatischen Auskugelungen und einer bestehenden Laxität der Schulterkapsel ist dies nicht (immer) der Fall. 

Bei einer (traumatischen) Auskugelung ist es wichtig, dass eine bildgebende Untersuchung durchgeführt wird, um weitere Läsionen und mögliche Brüche auszuschließen.

OPERATION? JA ODER NEIN?

Wenn sie zum ersten Mal eine Schulterluxation erlebt haben, hoffen sie natürlich, dass ihnen das nicht noch einmal passiert. Um abzuschätzen, wie groß ihr Risiko einer dauerhaften Instabilität ist, verwenden wir das PRIS-Tool (Predicting Recurrent Shoulder Instability). Die Forschung zeigt, dass das Instrument genau vorhersagt, wer nach einer ersten Schulterluxation KEINE dauerhaften Instabilitätssymptome haben wird. 5 Leider kann das Instrument nicht genau vorhersagen, wer sie haben wird. Gut zu wissen: 90% der Re-Luxationen ereignen sich innerhalb von zwei Jahren. 6 Wenn also mehr als zwei Jahre seit dem Auskugeln der Schulter vergangen sind, ist die Chance, dass es erneut passiert, ziemlich gering.

Je jünger du bist, desto wahrscheinlicher ist es, dass du eine dauerhafte Instabilität haben wirst. 7 Darüber hinaus steigt das Risiko einer dauerhaften Instabilität, wenn es deinen dominanten Arm betrifft und eine knöcherne Bankart-Läsion entdeckt worden ist. Darüber hinaus ist der Grad der Schmerz und die Einschränkung in deinem täglichen Leben sowie das Ausmaß der Angst und die Instabilität, die du erlebst, ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung, ob du dich einer Operation unterziehen solltest oder nicht. 8

Wichtig zu wissen ist, dass eine Operation auch kein Goldstandard ist. Bis zu 50% der Patienten, die eine ausgekugelten Schulter operieren lassen, haben nachher wiederkehrende Probleme. 9

Fazit: Sicherlich muss nicht jeder nach einer Schulterluxation operiert werden. Ein intensives Training unter Aufsicht eines erfahrenen Physiotherapeuten führt bei vielen Menschen zu einer vollständigen Genesung und Wiederaufnahme des Sports. In der Regel wird ein chirurgischer Eingriff nur dann empfohlen, wenn nach sechs Monaten keine oder eine zu geringe Verbesserung eingetreten ist.

WAS KANNST DU ALS PATIENT ODER ARZT BEI/VON UNS ERWARTEN?

Wie bei jedem unserer (neuen) Patienten, erwartet dich zu Beginn der ersten Therapiesitzung ein ausführliches Anamnesegespräch mit einem unserer Therapeuten, um für die Therapie relevante Information zu evaluieren und mögliche Kontraindikationen oder sogenannte „Red Flags“ auszuschließen. Danach wird eine gründliche Untersuchung durch den Therapeuten vorgenommen, um den aktuellen Rehabilitationsstand genauestens festlegen zu können.

Zudem wird gemeinsam mit dem Patienten ein individuelles Anforderungsprofil erstellt, welches speziell auf die täglichen Anforderungen im Leben des Patienten abgestimmt ist. Ziel ist es, einen klar objektiv definierten IST-Standpunkt zu gestalten und mittels erster Planungen den zu erreichenden Soll-Stand zu formulieren. Dieser Weg wird durch den Transfer der Therapie stattfinden und laufend neu evaluiert, um zu jedem Zeitpunkt über den aktuellen Leistungszustand des Patienten informiert zu sein.

Um diese Art der Methodik noch effizienter zu gestalten und das volle Potenzial aus der Behandlung schöpfen zu können, bieten wir dir optional die Möglichkeit an, die Therapiezeit zu verlängern. Ziel dieser Zusatzleistung ist es, unser Behandlungspotential voll auszuschöpfen, eine qualitativ hochwertige Therapie zu garantieren und so das Therapieergebnis zu optimieren. Durch das erweiterte Konzept können unsere Therapeuten deshalb noch effizienter an dem Therapieprozess arbeiten.

Wie du bei Absatz „Anatomiemitbekommen hast, ist die Schulter von allen Gelenken im menschlichen Körper bei weitem das Gelenk, welches am häufigsten auskugelt. Dies ist nicht verwunderlich, wenn man die Größe der Schulterpfanne vergleicht mit dem Schulterkopf.

Da die Gelenkkongruenz (die Deckungsgleichheit oder Kontaktfläche des Gelenks) folglich minimal ist, muss die Stabilität des Gelenks vor allem von unserer Muskulatur kompensiert werden.

Wenn du nach einer Schulterluxation weiterhin Beschwerden hast, lohnt es sich, deine Schulter zu trainieren. Dadurch wird deine Schulter stabiler und die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich in Zukunft wieder auskugelt, wird verringert. 10, 11 Es ist wichtig, dass man hierbei nicht nur Kraftübungen macht, sondern gezielte Übungen für die kleinen Muskeln, die zur Stabilisierung des Schultergelenks beitragen (zum Beispiel die Rotatorenmanschette).

Mit diesen Übungen arbeitest du daran, schnelle Bewegungen zu verlangsamen und deine Muskeln rechtzeitig anzuspannen. Außerdem trainierst du die Feinmotorik und die Stabilität des Rumpfes, der Schulterblattmuskulatur und natürlich des Schultergelenks selbst.

Am Anfang macht es Sinn Vertrauen in der Schulter aufzubauen mittels Übungen in einer geschlossenen Kette. Übungen in einer geschlossenen Kette sind Übungen, wobei man die Händer und/oder Füße nicht frei bewegen kann. Beispiele zu den Übungen sind (Wand) Liegestütze und Shoulder Taps

Wand Liegestütze

Wand Liegestütze

Shoulder Taps

Shoulder Taps

Sobald man Vertrauen aufgebaut hat und eine Verbesserung bemerkt, ändert sich das Ziel der Übungen. Die Übungen werden in einer offenen Kette (Hände und/oder Füße können während der Übung frei bewegt werden) ausgeführt wobei wir uns auf Bewegungen fokussieren, die sich instabil anfühlen. Eine der Hauptursachen für diese Instabilität ist die Unfähigkeit der Rotatorenmanschette, das Schultergelenk zu stabilisieren. Die Übungen fordern diese Muskeln heraus, sich rechtzeitig und mit der richtigen Intensität anzuspannen. Beispiele hierzu sind Side Raises und Variationen, Schulterdrücken, Plyo Push Ups und Wurfübungen.

Drop & Catch

Drop & Catch

Plyo Pushups

Plyo Pushups

Wurfübung

Wurfübung

Eine wichtige Voraussetzung, um diese Übungen sicher durchführen zu können ist, dass deine Schulter wieder voll beweglich ist und dir im Alltag keine Schmerzen mehr bereitet. Du solltest bei jeder Übung darauf achten, dass du dich während der Übung sicher fühlst (es sollte sich nicht so anfühlen, als ob deine Schulter jeden Moment auskugeln könnte) und dass du keine Schmerzen beim Durchführen der Übung hast.

Wie geht es jetzt weiter?

Mit diesen Übungen kannst du bereits ernsthaft daran arbeiten, das Vertrauen in deine Schulter wiederzuerlangen. Fällt dir auf, dass du immer wieder Beschwerden hast? Willst du deine sportliche Leistung zu 100% abrufen? Dann vereinbare einen Termin zur Ausarbeitung eines Plans, der ganz auf deine Bedürfnisse und deine Situation zugeschnitten ist.

Bei diesem Blog handelt es sich um eine kostenlose Wissensvermittlung der betroffenen Krankheitsbilder. Da sich die Krankheitsbilder trotz klinischer Diagnosen häufig unterschiedlich in ihren Symptomen präsentieren können, bedarf es einer fachgerechten Abklärung. „Dadurch kann mit gezielten therapeutischen Massnahmen an der individuellen Problematik gearbeitet werden.

QUELLENANGABE

  1. Kavaja et al., 2018) Kavaja, L., Lähdeoja, T., Malmivaara, A., & Paavola, M. (2018). Treatment after traumatic shoulder dislocation: a systematic review with a network meta-analysis. British Journal of Sports Medicine, 52(23), 1498–1506. 
  2. Finnoff, J. T., Doucette, S., & Hicken, G. (2004). Glenohumeral instability and dislocation. Physical Medicine and Rehabilitation Clinics, 15(3), 575-605.
  3. Dhir, J., Willis, M., Watson, L., Somerville, L., & Sadi, J. (2018). Evidence-Based Review of Clinical Diagnostic Tests and Predictive Clinical Tests That Evaluate Response to Conservative Rehabilitation for Posterior Glenohumeral Instability: A Systematic Review. Sports health, 10(2), 141–145. 
  4. Blomquist, J., Solheim, E., Liavaag, S., Schroder, C. P., Espehaug, B., & Havelin, L. I. (2012). Shoulder instability surgery in Norway: the first report from a multicenter register, with 1-year follow-up. Acta orthopaedica, 83(2), 165-170.
  5. Olds, M., Ellis, R., & Kersten, P. (2020). Predicting Recurrent Instability of the Shoulder (PRIS): a valid tool to predict which patients will not have repeat shoulder instability after first-time traumatic anterior dislocation. journal of orthopaedic & sports physical therapy, 50(8), 431-437. 
  6. Olds MK, Ellis R, Parmar P, et al. Who will redislocate his/her shoulder? Predicting recurrent instability following a first traumatic anterior shoulder dislocation. BMJ Open Sport & Exercise Medicine 2019;5:e000447. doi:10.1136/ bmjsem-2018-000447 
  7. Robinson, C. M., Howes, J., Murdoch, H., Will, E., & Graham, C. (2006). Functional outcome and risk of recurrent instability after primary traumatic anterior shoulder dislocation in young patients. JBJS, 88(11), 2326-2336. 
  8. Olds, M. K., Ellis, R., Parmar, P., & Kersten, P. (2019). Who will redislocate his/her shoulder? Predicting recurrent instability following a first traumatic anterior shoulder dislocation. BMJ open sport & exercise medicine, 5(1), e000447.
  9. Torrance, E., Clarke, C. J., Monga, P., Funk, L., & Walton, M. J. (2018). Recurrence after arthroscopic labral repair for traumatic anterior instability in adolescent rugby and contact athletes. The American Journal of Sports Medicine, 46(12), 2969-2974. 
  10. Eljabu, W., Klinger, H. M., & Von Knoch, M. (2017). The natural course of shoulder instability and treatment trends: a systematic review. Journal of Orthopaedics and Traumatology, 18(1), 1-8. 
  11. Bateman, M., Smith, B. E., Osborne, S. E., & Wilkes, S. R. (2015). Physiotherapy treatment for atraumatic recurrent shoulder instability: early results of a specific exercise protocol using pathology-specific outcome measures. Shoulder & elbow, 7(4), 282-288. 
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