SIE HABEN ODER KENNEN JEMANDEN MIT EINEM AUSGEKUGELTEN SCHULTER?
Wir fassen auf dieser Seite alle wichtigsten Infos zusammen.
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Lieber Kunde, Patient und/oder (Fach)Arzt,
Mit dieser Seite möchten wir ihnen einen Einblick in das Thema Schulterschmerzen gewähren, dessen Problematik und unser entsprechendes Vorgehen schildern und unsere Behandlungsmethode erläutern. Hierfür beziehen wir uns ausschließlich auf wissenschaftliche Studien und unsere jahrelange Erfahrung in der Praxis. Wir möchten ihnen die Möglichkeit geben, sich bereits im Vorhinein besser über die Thematik informieren und offene Fragen oder mögliche Unsicherheiten klären zu können, um so zu verstehen, was eigentlich hinter dieser Thematik steckt.
Von allen Gelenken im menschlichen Körper, die auskugeln, ist die Schulter bei weitem das häufigste. 1 In 50% aller Gelenke, die auskugeln, ist es die Schulter. Das ist aber nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, dass die Schulterpfanne eigentlich gar nicht so groß ist. Eine Schulterauskuglung wird in der Regel durch eine von drei Ursachen ausgelöst:
- Trauma: Auskuglung nach Sturz oder nach Kontakt mit einem Gegner.
- Non-Trauma: Auskuglung ohne Kontaktmoment. Dies ist normalerweise nur der Fall, wenn der Schulter zuvor schon Mal ausgekugelt wurde.
- Angeboren: Hypermobilität oder Laxizität (vermehrte Elastizität) des Schulterkapsels.
Auf dieser Seite klären wir die wichtigsten Fragen bzgl. einer Schulterauskuglung, erfahren sie warum die Schulter auskugeln kann, ob man eine Operation braucht oder nicht, wie man (selber) die Schulterstabilität verbessern kann und vieles mehr.
ANATOMIE
Die Schulter ist geschickt zusammengesetzt. Es ist ein Komplex aus nicht weniger als 4 Gelenken, nämlich:
- Das Glenohumeralgelenk. Dies ist die Verbindung zwischen Oberarm und Schulterblatt. Kopf und Pfanne sind durch die Schulterkapsel, auch Rotatorenmanschette genannt, verbunden. Kleine Muskeln, die extrem wichtig sind, um den Schulterkopf in der Pfanne zu halten.
- Das AC-Gelenk. Dies ist die Verbindung zwischen dem Schulterdach (Acromion auf Latein) und Schlüsselbein (Clavicula auf Latein).
- Das SC-Gelenk. Dies ist die Verbindung zwischen dem Brustbein (Sternum auf Latein) und Schlüsselbein (Clavicula auf Latein).
- Das scapulathorakale Gelenk. Dies ist die Verbindung des Schulterblatts (Scapula) zum Brustkorb (Thorax). Das Schulterblatt ist durch Muskeln am oberen Rücken befestigt.
Verglichen mit der tiefen knöchernen Hüftpfanne ist die Schulterpfanne eher als kleine Schale zu bezeichnen. Diese Schale wird durch das Labrum noch verstärkt. Das Labrum ist einen Knorpelring, der direkt an der Gelenkpfanne der Schulter ansetzt. Das Labrum ist wiederum mit den Muskeln der Rotatorenmanschette verbunden, die zusammen die Schulterkapsel bilden. Sie sollten diese Muskeln als eine dynamische Gelenkpfanne betrachten, die zur Stabilisierung des Schulterkopfes beiträgt, indem sie genau im richtigen Moment angespannt wird, wenn sie ihre Bewegungen ausführen.
Für die Anforderungen, die wir an die Schulter stellen, ist ihre Anatomie sehr sinnvoll. Die minimale Gelenkpfanne ermöglicht es uns, den Arm frei in allen Richtungen zu bewegen. Durch diese Bewegungsfreiheit wird die Stabilisierung der Schulter für den Körper jedoch schwieriger.
WIE ENTSTEHT DIE PROBLEMATIK?
Eine Schulterauskuglung wird in der Regel durch folgende Faktoren ausgelöst:
- Trauma: Auskuglung der Schulter nach Sturz oder nach Kontakt mit einem Gegner.
Ein traumatisches Auskugeln der Schulter ist verantwortlich für über 75% der Auskuglungen. 2
- Non-Trauma: Auskuglung ohne Kontaktmoment. Dies ist normalerweise nur der Fall, wenn der Schulter zuvor schon Mal ausgekugelt wurde.
- Angeboren: Hypermobilität oder Laxität (Schlaffheit) des Schulterkapsels.
In ungefähr 75% der Fälle findet die Auskuglung nach vorne statt. Dies sehen wir am meisten, wenn die Auskuglung beim Sport oder bei einem Sturz entsteht. In 20% der Fälle findet die Auskuglung nach hinten statt, zum Beispiel beim Verkehrsunfall. Diese Diagnose wird häufig übersehen, da sie bei der körperlichen Untersuchung oft weniger auffällig ist als eine Auskuglung nach vorne. 3 In 5% der Fälle findet die Auskuglung in verschiedenen Richtungen statt (typischerweise bei einer Hypermobilität). 4
In einigen Fällen können bei einer traumatischen Schulterluxation mehrere Strukturen beschädigt werden. Zunächst kann einmal das Bindegewebe der Kapsel und/oder des Labrums gedehnt werden oder reißen. Zum anderen kann sich eine knöcherne „Bankart-Läsion“ entwickeln, bei der es durch den Aufprall zu einer Fraktur am unteren Ende der Schulterpfanne kommt. Dies geht häufig mit einer „Hill-Sachs-Läsion“ einher, einer Delle in der Schulterkopf selbst. Eine Röntgenaufnahme der Schulter kann dies entweder zeigen oder ausschließen.
DIAGNOSTIK
Eine Schulterauskuglung ist in der Regel relativ einfach zu diagnostizieren da es eine klare Auskuglung gab, wobei die Schulter in vielen Fällen wieder repositioniert werden musste. Danach gibt es so gut wie immer ein instabiles Gefühl, besteht eine Angst vor einer erneuten Auskuglung und in manchen Fällen kann der Patient dieses instabile Gefühl oder Auskuglung zeigen mit einer bestimmten Bewegung. Bei traumatischen Entstehungsweisen kommen oft (starke) Schmerzen und Bewegungseinschränkungen dazu. Bei nicht-traumatischen Auskuglungen und eine bestehende Laxität des Schulterkapsels ist dies nicht (immer) der Fall.
Bei einer (traumatischen) Auskuglung ist es wichtig, dass eine Bildgebende Untersuchung durchgeführt wird, um weitere Läsionen und mögliche Brüche auszuschließen.
OPERATION? JA ODER NEIN?
Wenn sie zum ersten Mal eine Schulterluxation erlebt haben, hoffen sie natürlich, dass ihnen das nicht noch einmal passiert. Um abzuschätzen, wie groß ihr Risiko einer dauerhaften Instabilität ist, verwenden wir das PRIS-Tool (Predicting Recurrent Shoulder Instability). Die Forschung zeigt, dass das Instrument genau vorhersagt, wer nach einer ersten Schulterluxation KEINE dauerhaften Instabilitätssymptome haben wird. 5 Leider kann das Instrument nicht genau vorhersagen, wer sie haben wird. Gut zu wissen: 90% der Re-Luxationen ereignen sich innerhalb von zwei Jahren. 6 Wenn also mehr als zwei Jahre seit dem Auskugeln der Schulter vergangen sind, ist die Chance, dass es erneut passiert, ziemlich gering.
Je jünger sie sind, desto wahrscheinlich ist es, dass sie eine dauerhafte Instabilität haben werden. 7 Darüber hinaus steigt das Risiko einer dauerhaften Instabilität, wenn es deinen dominanten Arm betrifft und eine knöcherne Bankart-Läsion entdeckt worden ist. Darüber hinaus sind der Grad der Schmerz und Einschränkung in ihrem täglichen Leben und das Ausmaß der Angst und Instabilität, die sie erleben, ein wichtiger Faktor bei der Entscheidung, ob sie sich einer Operation unterziehen wollen oder nicht. 8
Wichtig zu wissen ist, dass eine Operation auch kein Goldstandard ist. Bis zu 50% der Patienten, die sich mit einer ausgekugelten Schulter operieren lassen, haben nachher wiederkehrende Probleme. 9
Fazit: Sicherlich muss nicht jeder nach einer Schulterluxation operiert werden. Ein intensives Training unter Aufsicht eines erfahrenen Physiotherapeuten führt bei vielen Menschen zu einer vollständigen Genesung und Wiederaufnahme des Sports. In der Regel wird ein chirurgischer Eingriff nur dann beschlossen, wenn nach sechs Monaten keine oder eine zu geringe Verbesserung eingetreten ist.
WAS KÖNNEN SIE ALS PATIENT ODER ARZT BEI/VON UNS ERWARTEN?
Wie bei jedem unserer (neuen) Patienten, erwartet sie zu Beginn der ersten Therapiesitzung ein ausführliches Anamnesegespräch mit einem unserer Therapeuten, um für die Therapie relevante Information zu evaluieren und mögliche Kontraindikationen oder sogenannte „Red Flags“ auszuschließen. Danach wird eine gründliche Untersuchung durch den Therapeuten vorgenommen, um den aktuellen Rehabilitationsstand genauestens festlegen zu können.
Zudem wird gemeinsam mit dem Patienten ein individuelles Anforderungsprofil erstellt, welches speziell auf die täglichen Anforderungen im Leben des Patienten abgestimmt ist. Ziel ist es, einen klar objektiv definierten IST-Standpunkt zu gestalten und mittels erster Planungen den zu erreichenden Soll-Stand zu formulieren. Dieser Weg wird durch den Transfer der Therapie stattfinden und laufend neu motorisiert und evaluiert, um zu jedem Zeitpunkt über den aktuellen Leistungszustand des Patienten informiert zu sein.
Um diese Art der Methodik noch effizienter zu gestalten und das volle Potenzial aus der Behandlung schöpfen zu können, bieten wir ihnen optional die Möglichkeit der erweiterten Therapiezeit an. Ziel dieser Zusatzleistung ist es, unser Behandlungspotential voll auszuschöpfen, eine qualitativ hochwertige Therapie zu garantieren und damit das Therapieergebnis zu optimieren. Durch das erweiterte Konzept können unsere Therapeuten deshalb noch effizienter an dem Therapieprozess arbeiten.
Wie sie bei Absatz „Anatomie“ mitbekommen haben, ist die Schulter von allen Gelenken im menschlichen Körper, bei weitem das Gelenk, dass am häufigsten auskugelt. Dies ist nicht verwunderlich, wenn man die Größe der Schulterpfanne vergleicht mit dem Schulterkopf.
Da die Gelenkkongruenz (die Deckungsgleichheit oder Kontaktfläche des Gelenks) also minimal ist, muss die Stabilität des Gelenks, vor allem von unserer Muskulatur, kompensiert werden.
Wenn sie nach einer Schulterluxation weiterhin Beschwerden haben, lohnt es sich, ihre Schulter zu trainieren. Dadurch wird ihre Schulter stabiler, und die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich in Zukunft wieder auskugelt, wird verringert. 10, 11 Es ist wichtig, dass man hierbei nicht nur Kraftübungen macht, sondern gezielte Übungen für die kleinen Muskeln, die zur Stabilisierung des Schultergelenksbeitragen (zum Beispiel die Rotatorenmanschette).
Mit diesen Übungen arbeiten sie daran, schnelle Bewegungen zu verlangsamen und ihre Muskeln rechtzeitig anzuspannen. Außerdem trainieren sie die Feinmotorik und die Stabilität des Rumpfes, der Schulterblattmuskulatur und natürlich des Schultergelenks selbst.
Am Anfang macht es Sinn Vertrauen in der Schulter aufzubauen mittels Übungen in einer geschlossenen Kette. Übungen in einer geschlossenen Kette sind Übungen, wobei man die Händer und/oder Füße nicht frei bewegen kann. Beispiele zu den Übungen sind (Wand) Liegestütze und Shoulder Taps
Sobald man Vertrauen aufgebaut hat und eine Verbesserung merkt, ändert sich das Ziel der Übungen. Übungen werden in einer offenen Kette (Händer und/oder Füße können während der Übung frei bewegt werden) ausgeführt wobei wir uns fokussieren auf Bewegungen, die sich instabil anfühlen. Eine der Hauptursachen für diese Instabilität ist die Unfähigkeit der Rotatorenmanschette, das Schultergelenk zu stabilisieren. Die Übungen fordern diese Muskeln heraus, sich rechtzeitig und mit der richtigen Intensität anzuspannen. Beispiele hierzu sind Seitheben, Drop & Catch Variationen, Schulterdrücken, Plyo Push Ups und Wurfübungen.
Eine wichtige Voraussetzung, um diese Übungen sicher durchführen zu können ist, dass ihre Schulter wieder voll beweglich ist und ihnen im Alltag keine Schmerzen mehr bereitet. Sie sollten bei jeder Übung darauf achten, dass sie sich während der Übung sicher fühlen (es sollte sich nicht so anfühlen, als ob ihre Schulter jeden Moment auskugeln könnte) und dass sie keine Schmerzen bei dem Durchführen der Übung haben.
Wie geht es jetzt weiter?
Mit diesen Übungen können sie bereits ernsthaft daran arbeiten, das Vertrauen in ihre Schulter wiederzuerlangen. Fällt ihnen auf, dass sie immer wieder Beschwerden haben? Wollen sie ihre sportliche Leistung zu 100% abrufen? Vereinbaren Sie dann einen Termin für einen Plan, der ganz auf ihre Wünsche und ihre Situation zugeschnitten ist.
Bei diesem Blog handelt es sich um eine kostenlose Wissensvermittlung der betroffenen Krankheitsbilder. Da sich die Krankheitsbilder trotz klinischer Diagnosen häufig unterschiedlich in ihren Symptomen präsentieren können, bedarf es einer fachgerechten Abklärung. „Dadurch kann mit gezielten therapeutischen Massnahmen an der individuellen Problematik gearbeitet werden.
QUELLENANGABE
- Kavaja et al., 2018) Kavaja, L., Lähdeoja, T., Malmivaara, A., & Paavola, M. (2018). Treatment after traumatic shoulder dislocation: a systematic review with a network meta-analysis. British Journal of Sports Medicine, 52(23), 1498–1506.
- Finnoff, J. T., Doucette, S., & Hicken, G. (2004). Glenohumeral instability and dislocation. Physical Medicine and Rehabilitation Clinics, 15(3), 575-605.
- Dhir, J., Willis, M., Watson, L., Somerville, L., & Sadi, J. (2018). Evidence-Based Review of Clinical Diagnostic Tests and Predictive Clinical Tests That Evaluate Response to Conservative Rehabilitation for Posterior Glenohumeral Instability: A Systematic Review. Sports health, 10(2), 141–145.
- Blomquist, J., Solheim, E., Liavaag, S., Schroder, C. P., Espehaug, B., & Havelin, L. I. (2012). Shoulder instability surgery in Norway: the first report from a multicenter register, with 1-year follow-up. Acta orthopaedica, 83(2), 165-170.
- Olds, M., Ellis, R., & Kersten, P. (2020). Predicting Recurrent Instability of the Shoulder (PRIS): a valid tool to predict which patients will not have repeat shoulder instability after first-time traumatic anterior dislocation. journal of orthopaedic & sports physical therapy, 50(8), 431-437.
- Olds MK, Ellis R, Parmar P, et al. Who will redislocate his/her shoulder? Predicting recurrent instability following a first traumatic anterior shoulder dislocation. BMJ Open Sport & Exercise Medicine 2019;5:e000447. doi:10.1136/ bmjsem-2018-000447
- Robinson, C. M., Howes, J., Murdoch, H., Will, E., & Graham, C. (2006). Functional outcome and risk of recurrent instability after primary traumatic anterior shoulder dislocation in young patients. JBJS, 88(11), 2326-2336.
- Olds, M. K., Ellis, R., Parmar, P., & Kersten, P. (2019). Who will redislocate his/her shoulder? Predicting recurrent instability following a first traumatic anterior shoulder dislocation. BMJ open sport & exercise medicine, 5(1), e000447.
- Torrance, E., Clarke, C. J., Monga, P., Funk, L., & Walton, M. J. (2018). Recurrence after arthroscopic labral repair for traumatic anterior instability in adolescent rugby and contact athletes. The American Journal of Sports Medicine, 46(12), 2969-2974.
- Eljabu, W., Klinger, H. M., & Von Knoch, M. (2017). The natural course of shoulder instability and treatment trends: a systematic review. Journal of Orthopaedics and Traumatology, 18(1), 1-8.
- Bateman, M., Smith, B. E., Osborne, S. E., & Wilkes, S. R. (2015). Physiotherapy treatment for atraumatic recurrent shoulder instability: early results of a specific exercise protocol using pathology-specific outcome measures. Shoulder & elbow, 7(4), 282-288.