ADHS

DU HAST DIE DIAGNOSE ADHS BEKOMMEN ODER KENNST JEMANDEN MIT ADHS ?

Wir fassen auf dieser Seite alle wichtigsten Infos zusammen. 

3300 Worte | 28 Minuten Lesezeit

Lieber Kunde, Patient &/oder (Fach-)Arzt /Ärtzin.

Der Begriff ADHS ist dir mit großer Wahrscheinlichkeit bekannt (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung). Leider gibt es noch immer viele Mythen im Zusammenhang mit dieser Diagnose. Dem wollen wir entgegenwirken. 

Nicht jeder mit ADHS muss behandelt werden. Eine Behandlung ist aber sinnvoll, wenn es im Alltag Probleme gibt, z.B. im Job oder im Umgang mit anderen.

WIE ENTSTEHT DIE PROBLEMATIK?

Warum genau ADHS entsteht, weiß man bis heute nicht ganz sicher. Forscher glauben aber, dass ADHS viele verschiedene Ursachen hat, die zusammenwirken. Dazu gehören:

  • Bestimmte Abläufe im Gehirn (bei Botenstoffen wie Dopamin und Noradrenalin).
  • Die Gene, die man vererbt bekommt.
  • Was im Umfeld und der Familie passiert.
  • Risiken vor und während der Geburt.
  • Auch Ernährung oder Einflüsse aus der Umwelt könnten eine Rolle spielen.

SYMPTOME

ADHS ist eine Störung , die das Gehirn und das Nervensystem betrifft. Bei der Diagnose betrachten Ärzt:innen oder Therapeut:innen alle ADHS-Anzeichen zusammen. Sie folgen dabei bestimmten internationalen Regeln (genannt ICD10).

Für die Diagnose ist wichtig:

  • Sind die Symptome schon vor dem 6. Geburtstag aufgefallen?
  • Gibt es sie schon länger als sechs Monate?
  • Machen sie in mindestens zwei Bereichen des Lebens Schwierigkeiten, zum Beispiel zu Hause und bei der Arbeit?

Die Anzeichen von ADHS lassen sich in drei Hauptgruppen einteilen:

  1. Probleme mit der Aufmerksamkeit: Es fällt schwer, sich auf eine Sache zu konzentrieren oder dabei zu bleiben. Man lässt sich leicht ablenken, springt oft von einer Tätigkeit zur nächsten und verliert schnell das Interesse.
  2. Überaktivität: Man ist oft sehr unruhig, zappelt viel, kann nicht lange still sitzen, redet viel und ist manchmal lauter als andere.
  3. Impulsivität: Man handelt oft schnell, ohne lange nachzudenken. Es fällt schwer, abzuwarten oder andere ausreden zu lassen. Regeln sind oft schwierig einzuhalten, was manchmal zu Problemen im Umgang mit Familie oder Freunden führt.

Wichtig zu wissen ist: Wie stark diese Probleme sind, ist bei jedem Menschen mit ADHS anders. Das hängt auch vom Alter und den persönlichen Fähigkeiten ab. Deshalb sieht ADHS nicht bei allen gleich aus und die Symptome fallen unterschiedlich auf.

ADHS IN UNSERER GESELLSCHAFT

Leider passen unsere Schulen und Arbeitsplätze oft nicht gut zu Menschen mit ADHS. Sie sind nicht gut darauf eingestellt, was diese Menschen brauchen und welche Schwierigkeiten sie haben. ADHS wird oft als „Modediagnose“ abgetan, und die Betroffenen bekommen wenig Verständnis und Unterstützung.

Damit Menschen mit ADHS gut zurechtkommen und fair behandelt werden, müssen Schulen und Arbeitsplätze besser angepasst werden.

MYTHEN

ADHS wird durch schlechte Erziehung verursacht.

Probleme in der Familie oder das Verhalten der Eltern sind NICHT die Ursache dafür, dass jemand ADHS bekommt. Aber das Verhalten von Eltern oder anderen Erzieher:innen kann beeinflussen, wie stark sich die ADHS-Symptome zeigen. Es kann helfen oder die Probleme verschlimmern. Auch Stress oder Schwierigkeiten in der Familie können dazu führen, dass die ADHS-Anzeichen stärker auffallen.3

ADHS ist heilbar und/oder verwächst sich.

ADHS kann nicht geheilt werden, aber man kann es gut behandeln. Es ist eine Störung, die Menschen ihr Leben lang begleitet. Mit der richtigen Behandlung können Menschen mit ADHS lernen, besser mit den Schwierigkeiten im Alltag umzugehen.4

Gewichtswesten oder -decken sind nur “Geldmacherei”.

Dies ist klar mit “Nein” zu beantworten. Sie können für Menschen mit ADHS eine große Erleichterung und Hilfe sein. Da sich der Druck wie eine Umarmung anfühlt, können die Decken helfen, innere Unruhe und Stress zu verringern.2

ADHS als Ausrede für Alles – Prokrastination 

„Prokrastination“ ist ein Fachwort dafür, wenn man Dinge ständig und zu sehr aufschiebt. Das kennen wir alle. Aber für Menschen mit ADHS ist es besonders schwierig, Dinge pünktlich zu erledigen. Wegen Konzentrations- und Organisationsproblemen vergessen sie Aufgaben oder brechen sie ab. Das kann zu ernsten Folgen in Schule oder Beruf führen. Wenn das Aufschieben sehr stark ist, kann eine Verhaltenstherapie helfen. Dort lernt man, wie man Aufgaben besser angehen und erledigen kann.5

ADHS-Medikamente machen abhängig und stellen Betroffene ruhig. 

Viele Menschen mit ADHS haben Angst, dass eine Diagnose bedeutet, dass sie schädliche Medikamente nehmen müssen. Diese Angst kommt oft von falschen oder unvollständigen Informationen, die verbreitet werden. Deshalb ist es uns sehr wichtig, in unseren Therapien genau zu erklären, wie die Medikamente im Gehirn wirken. Wir nehmen deine Sorgen und Fragen sehr ernst und sprechen ausführlich darüber.

Menschen mit ADHS haben dieselben Gefühle wie wir alle. 

STIMMT 

WAS KÖNNEN SIE ALS PATIENT ODER ARZT BEI/VON UNS ERWARTEN?

Für Menschen mit ADHS bieten wir in unserer Praxis Ergotherapie an. Nach einem ersten ausführlichen Gespräch mit deiner Therapeutin sprecht ihr zusammen über deine Ziele für die Therapie und plant, wie ihr vorgehen werdet. Wir konzentrieren uns auf deine Stärken und wollen dir helfen, das Beste aus dir herauszuholen. Dabei ist es uns wichtig zu verstehen, wie sich die ADHS-Diagnose genau auf deinen Alltag auswirkt und welche Dinge dir im Leben besonders schwerfallen.

MEDIKAMENTE, JA ODER NEIN?

Die Entscheidung für oder gegen Medikamente wird mit den behandelnden Ärzt:innen besprochen. Sie sind nicht immer der erste Schritt und werden am besten zusammen mit Ergo- oder Psychotherapie eingesetzt.

Die Medikamente helfen, indem sie bestimmte Stoffe im Gehirn ausgleichen. Dadurch werden die Hauptsymptome von ADHS verbessert. Zu den wichtigsten Medikamenten gehören:1

Methylphenidat4

Die bekanntesten Medikamente bei ADHS sind Ritalin, Medikinet(-retard) oder Concerta. Sie enthalten den Wirkstoff Methylphenidat. Er hilft, bestimmte Botenstoffe im Gehirn auszugleichen, die bei ADHS fehlen. Bei ärztlich kontrollierter Einnahme macht Methylphenidat nicht süchtig, auch wenn es unter das Betäubungsmittelgesetz fällt.  Studien belegen, dass 50-95% der Betroffenen durch das Medikament profitieren. 

Es gibt zwei Hauptformen:

  1. Eine schnell wirkende Form (ca. 3-4 Stunden Wirkung), die öfter am Tag genommen werden muss.
  2. Eine länger wirkende Depot-Form (7-12 Stunden Wirkung), die meist nur einmal am Tag genommen wird und oft einfacher für den Schul- oder Arbeitsalltag ist.

Wie bei allen Medikamenten kann es Nebenwirkungen geben. Am häufigsten sind Appetitverlust und Schlafstörungen. Seltener kommen Kopfschmerzen, Reizbarkeit oder Nervosität vor.

Wirkung von Atomoxetin4

Ein weiteres ADHS-Medikament ist Strattera mit dem Wirkstoff Atomoxetin. Es wirkt anders als Methylphenidat und beeinflusst gezielt den Botenstoff Noradrenalin im Gehirn. Man nimmt es 1-2 Mal täglich ein und es wirkt dann über den ganzen Tag. Wichtig: Es dauert etwa 2 bis 3 Wochen, bis man eine Wirkung merkt. Nebenwirkungen sind möglich, aber sie treten seltener auf als bei Methylphenidat und sind ähnlich (z.B. Appetitverlust, Schlafstörungen).

Andere Amphetamine6

Meistens sind Methylphenidat und Atomoxetin die erste Wahl bei ADHS-Medikamenten. Es gibt aber auch noch andere Amphetamine, z.B. Elvanse oder Attentin. Weil auch diese Medikamente stark kontrolliert werden, ist es sehr wichtig, dass der Arzt oder die Ärztin ausführlich darüber aufklärt.

ERGOTHERAPIE BEI ADHS

Uns ist wichtig, dass unsere Patient:innen ihre Diagnose verstehen.

Deshalb erklären wir wie die Ergotherapie bei der Diagnose ADHS aussieht und welche Schwerpunkte gesetzt werden: 

Ergotherapie bei ADHS im Erwachsenenalter

ADHS wird bei vielen Erwachsenen lange nicht erkannt. Oft suchen sie erst Hilfe, wenn ihr Verhalten zu wiederholten Problemen mit anderen führt – im Beruf oder privat. Bei Erwachsenen zeigen sich die Symptome oft anders als im Kindes- oder Jugendalter: Weniger äußere, dafür mehr innere Unruhe, Schwierigkeiten mit Organisation und Vergesslichkeit sowie starke Gefühle.

In der Therapie lernt man, den Alltag besser zu meistern, entdeckt eigene Stärken, übt neue Verhaltensweisen, verbessert den Umgang mit anderen und stärkt das Selbstbild.

Partnerschaft, Sexualität & ADHS

Sexualität und Beziehungen können für Menschen mit ADHS herausfordernd sein. Manchmal wechseln sie oft die Partner:innen. In längeren Beziehungen gibt es oft Konflikte, z.B. wegen Impulsivität und starker Gefühle. Es kann schwer fallen, über Folgen der eigenen Verhaltensweise nachzudenken oder verschiedene Sichtweisen zu sehen. Das sexuelle Interesse kann stark schwanken (mal sehr viel, mal sehr wenig). Viele haben Schwierigkeiten, sich beim Sex zu konzentrieren. Auch Hormone (besonders bei Frauen) und ADHS-Medikamente können die Sexualität beeinflussen (z.B. weniger sexuelle Lust).

In der Ergotherapie lernt man, sich selbst besser zu managen und besser zu kommunizieren. Das hilft, Beziehungen positiver zu gestalten und kann sich so gut auf Partnerschaft und Sexualität auswirken.

Straffälligkeit & ADHS

Studien zeigen, dass ADHS ein Risikofaktor für strafbares Verhalten sein kann, oft wegen Schwierigkeiten mit Impulsen und Gefühlen.15 Aber ganz wichtig: Nicht jeder Mensch mit ADHS ist ein Straftäter! In der Ergotherapie helfen wir dir, dein Verhalten zu verstehen und Wege für ein Leben ohne Straftaten zu finden. Dabei erarbeiten und üben wir gemeinsam passende Fähigkeiten und Therapien.

Sucht & ADHS14

Forschungsergebnisse zeigen, dass Menschen mit ADHS ein deutlich höheres Risiko für Süchte haben. Das Risiko für Alkoholsucht ist dreimal so hoch, das für Abhängigkeiten von anderen Drogen sogar fünfmal so hoch.14 Oft bestand die ADHS schon vor der Sucht. Schwierigkeiten mit dem Regulieren von Emotionen können Sucht fördern.

Ein Hauptgrund ist „Selbstmedikation“: Betroffene versuchen, ADHS-Symptome (z.B. Konzentrationsprobleme) mit Substanzen zu „behandeln“. Diese beeinflussen das Gehirn, geben ein starkes Belohnungsgefühl und können schnell abhängig machen.

QUELLENANGABE

  1. Petermann, F. & Schmidt, S. (2018). Therapie-Tools ADHS im Kindes- und Jugendalter: Mit E-Book inside und Arbeitsmaterial (Beltz Therapie-Tools) (1. Aufl.). Beltz.
  2. Ekholm, B., Spulber, S. & Adler, M. (2020). A randomized controlled study of weighted chain blankets for insomnia in psychiatric disorders. Journal of Clinical Sleep Medicine16(9), 1567–1577. https://doi.org/10.5664/jcsm.8636
  3. Asbrand, J., Lerach, T. & Tuschen-Caffier, B. (2015). Störungstypische Erziehungsfaktoren bei Aufmerksamkeits- und Angststörungen im Kindes- und Jugendalter. Zeitschrift für Klinische Psychologie und Psychotherapie44(4), 239–253. https://doi.org/10.1026/1616-3443/a000329
  4. Gelb, M. & Völkel-Halbrock, D. (2019). ADS /ADHS: Ein Ratgeber für Eltern, Pädagogen und Therapeuten (Ratgeber für Angehörige, Betroffene und Fachleute) (überarbeitete Auflage 2020). Schulz-Kirchner.
  5. Münster, W. P. W. (o. D.). Prokrastination. © 2021 Prokrastinationsambulanz. https://www.uni-muenster.de/Prokrastinationsambulanz/prokrastination.html
  6. Amphetamine für Erwachsene, Methylphenidat für Kinder. (2019, 21. August). DAZ.online. https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2018/daz-36-2018/amphetamine-fuer-erwachsene-methylphenidat-fuer-kinder
  7. Götsch, K. (2021). Allgemeine und Spezielle Krankheitslehre (4. unveränderte). Thieme.
  8. Winter, B. & Arasin, B. (2013). Ergotherapie bei Kindern mit ADHS (3.). Thieme.
  9. Winter, B. (2014). Pädiatrische Ergotherapie – Das Wunstorfer Konzept (1. Aufl.). Thieme.
  10. Dreikurs, R., Soltz, V. & Blumenthal, E. A. (2018). Kinder fordern uns heraus: Wie erziehen wir sie zeitgemäß? (4. Druckaufl., 2022). Klett-Cotta.
  11. Kubny, B. (2020). Ergotherapie in der Psychiatrie (4.). Thieme.
  12. Rawak, D. (2016). Wir fühlen uns anders!: Wie betroffene Erwachsene mit ADS/ADHS sich selbst und ihre Partnerschaft erleben (3., aktualisierte und ergänzte). Hogrefe AG.
  13. Dr. Kohns (2017/03) Jugendzeit_mit_ADHS.pdf
  14. Ridinger, M., Bilke-Hentsch, O., Gouzoulis-Mayfrank, E. & Klein, M. (2016). ADHS und Sucht im Erwachsenenalter (Sucht: Risiken – Formen – Interventionen: Interdisziplinäre Ansätze von der Prävention zur Therapie) (1. Aufl.). W. Kohlhammer GmbH. & Lehrbriefe ALH/Suchtberatung
  15. Schneider, M., Retz, W., Coogan, A., Thome, J. & Rösler, M. (2006). Anatomical and functional brain imaging in adult attention-deficit/hyperactivity disorder (ADHD)—A neurological view. European Archives of Psychiatry and Clinical Neuroscience256(S1), i32–i41. https://doi.org/10.1007/s00406-006-1005-3
  16. Kirsch, P. & Haible-Baer, N. (2021). Therapie-Tools ADHS im Erwachsenenalter: Mit E-Book inside und Arbeitsmaterial (Beltz Therapie-Tools) (1. Aufl.). Beltz.
  17. Doris Ryffel-Rawak: ADHS bei Frauen – den Gefühlen ausgeliefert. (2005). Schweizer Archiv für Neurologie und Psychiatrie156(06), 328–328. https://doi.org/10.4414/sanp.2005.01641
  18. ADHS & Partnerschaft | Ratgeber ADHS. (o. D.). https://www.adhs-ratgeber.com/adhs-partnerschaft.html
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